Dissertationen
Abgeschlossene Dissertationsprojekte
- Dr. des. Sebastian Hofstetter, M. A. (Alternative Pflegeorganisation in Japan)
- Dr. des. Nicole Müller (Japanische Übersetzungskultur zwischen machtgeschützter Innerlichkeit und postmoderner Emanzipation. Einhundert Jahre japanische Thomas Mann-Rezeption im Spiegel eines digitalen Topic Modeling der Tonio Kröger-Retranslations)
- Dr. Harald Kümmerle (Institutionalisierung der Mathematik in Japan)
- Dr. Laura Blecken (Diskurse um "Selbst-Verantwortung" in Japan)
- Dr. Franziska Utomo (Entwicklung der Gourmetkultur in Japan)
- Dr. Christian Heideck (Deutsch-Japanische Beziehungen)
Dr. des. Sebastian Hofstetter, M. A. (Alternative Pflegeorganisation in Japan)
Aktivitäten von Workers Collectives (u.ä. Organisationen) zur Pflege und Versorgung älterer Menschen in Japan zwischen Vorgaben der Pflegeversicherung und gesellschaftlichem Bedarf – das Fallbeispiel der Workers Collective in Kanagawa (Arbeitstitel)
Das Dissertationsprojekt untersucht Workers Collectives, die nach dem Prinzip der geteilten Verantwortung versuchen, eine intensive pflegerische Versorgung und die Mitverantwortung des lokalen Gemeinwese und der Gesellschaft zu verbinden. Dabei ist zu beobachten, dass seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 2000 die Zahl der sich in der (v.a.) ambulanten Pflege engagierenden Workers Collectives beständig zunimmt. Hier setzt diese Arbeit an: Sie lotet Möglichkeiten und Probleme aus, mit denen sich Workers Collectives konfrontiert sehen, die sich in der Pflege älterer Menschen in Japan engagieren.
Die Frage lautet dabei, welche Rolle die Workers Collectives bei der Versorgung älterer Japaner in einer postindustriellen japanischen Gesellschaft spielen und welche Konzepte sie entwickeln, um innovativ die pflegerische Versorgung älterer Menschen zu gewährleisten.
Theorie und methodisches Vorgehen:
Zunächst wird das Thema Workers Collectives in den Kontext einer gegenwärtigen Theoriendiskussion, um neue Wohlfahrtsmixturen verortet. In einem nächsten Schritt wird anhand der Rekonstruktion am Fallbeispiel der Workers Collective Kanagawa aus der gegenwärtigen Praxis dargestellt, welche Formen derzeit die Arbeit der Workers Collectives in Japan annimmt. Eine These der Arbeit stellt dabei die Annahme dar, dass Workers Collectives offensichtlich auf ein „soziales Kapital“ zurückgreifen, das von der Zusammenarbeit mit Freiwilligen und Angehörigen, über die Eintragung als Verein bis hin zu lokalen Partnerschaften mit anderen Organisationen reicht.
Abschließend soll diskutiert werden, ob Workers Collectives eine sinnvolle Alternative zu herkömmlichen Pflegeangeboten für Ältere darstellen und so drängenden Problemen der japanischen Überalterungsgesellschaft entgegengewirkt werden kann.
Das Dissertationsprojekt wurde durch zwei Kurzzeitstipendien des DAAD „Partnerschaften mit Korea und Japan“ im Jahr 2012 und 2014 gefördert. 2013/14 wurde das Dissertationsprojekt durch ein Stipendium der Max-Weber-Stiftung am DIJ in Tōkyō unterstützt. Das Dissertationsprojekt wurde außerdem mit Mitteln der Haniel-Stiftung gefördert.
Dr. des. Nicole Müller (Japanische Übersetzungskultur zwischen machtgeschützter Innerlichkeit und postmoderner Emanzipation. Einhundert Jahre japanische Thomas Mann-Rezeption im Spiegel eines digitalen Topic Modeling der Tonio Kröger-Retranslations)
Einhundert Jahre japanische Thomas Mann-Rezeption im digitalen Topic Modeling - vergleichende Übersetzungsanalyse unter Einbezug historischer Kontexte
Nach gut zweihundertjähriger Abschottung gegenüber dem Westen verhandelt das post-Meijizeitliche Japan das Verhältnis zwischen Eigenem und Fremdem in Übersetzungen des westlichen Literaturkanons. Die im Laufe des 20. Jahrhunderts in großer Zahl entstehenden Übersetzungsvarianten zu Romanwerken Thomas Manns sind bedeutende Zeugnisse der so initiierten literarischen Assimilation und Emanzipation, doch wissenschaftlich bisher unzureichend aufgearbeitet. Hier ermöglicht die im Promotionsprojekt entwickelte digitale Übersetzungsanalyse durch Topic Modeling nicht allein eine quantitative Ausweitung des Gegenstandsbreiches, sondern einen qualitativ neuartigen, mit argumentativem Präzisierungszwang einhergehenden Interpretationsmodus: Distant Reading. Es synchronisiert Leitmotiv- bzw. Themenstrukturen, die die Thomas Mann-Werke Buddenbrooks und Tonio Kröger in deutschsprachigem Original und japanischsprachiger Übersetzung inhaltlich charakterisieren, erstmals auf der Ebene der Gesamtnarration. Im Verbund mit der quantitativ-rechnerischen Erfassung sowohl thematischer als auch stilistischer Ähnlichtkeitsrelationen operationalisiert das Projekt damit einen historisch kontextualisierbaren Übersetzungsvergleich von bislang undenkbarer Komplexität.
Das Promotionsprojekt wurde/wird durch Promotionsstipendien des DAAD (2017/18) sowie der Haniel-Stiftung gefördert.
Dr. Harald Kümmerle (Institutionalisierung der Mathematik in Japan)
Die Institutionalisierung der Mathematik als Wissenschaft im Japan der Meiji- und Taishō-Zeit (2019)
Der Link zu den Verlagsinformationen lautet (open access):
https://doi.org/10.26164/leopoldina_10_00779
Das Dissertationsprojekt untersucht die Entstehung der Mathematik als akademische Disziplin und ihre Einbettung im höheren Bildungssystem Japans, das im Zuge der Modernisierung des Landes von Grund auf neu gestaltet wurde. Obwohl die Shogunatsregierung schon seit der Landesöffnung 1854 Unternehmungen durchführte, Wissen aus der westlichen Mathematiktradition in Japan für Industrie und Militär nutzbar zu machen, erfolgte eine Strukturierung des Bildungssystems und die Gründung von Universitäten erst nach der Meiji-Restauration 1868. Im Laufe dieses Prozesses verschwand das aktive Praktizieren der traditionellen japanischen Rechenkunst wasan, in der höhere mathematische Konzepte – d.h. jenseits des einfachen Rechnens für den Alltagsgebrauch, dessen Erlernen in den Tempelschulen einer breiten Allgemeinheit möglich gewesen war – nicht im Studium der Natur zur Anwendung gebracht, sondern hauptsächlich aus ästhetischen Gründen untersucht wurden.
Das Fundament für die universitäre Mathematik wurde wie in den Naturwissenschaften zunächst von ausländischen Gastdozenten gelegt. Bereits nach wenigen Jahren wurde ihre Funktion jedoch von japanischen Professoren übernommen, die ihr Spezialwissen während eines Auslandsstudiums erworben hatten und im Folgenden Institutionen ausgestalteten, in denen international relevante Forschung erbracht werden konnte. Tatsächlich gelang es der japanischen Mathematik im Jahr 1920, mit der sogenannten Klassenkörpertheorie Takagi Teijis einen international als bahnbrechend anerkannten Beitrag zu leisten.
Die Dissertation fasst die Institutionalisierung der Mathematik als akademische Diziplin als vier in parallele Teilprozesse eingeteilt auf (Organisationsbildung, Professionalisierung, Standardisierung und Disziplinierung), sodass gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Vorgaben der internationalen Wissenschaftscommunity miteinbezogen werden. Mit dieser Herangehensweise und unter Hinzunahme von Universitätschroniken, Originalpublikationen sowie der Untersuchung von Schlüsselbiographien soll eine zufriedenstellende, quellengesättigte Analyse erbracht werden, die über den aktuellen Forschungsstand deutlich hinausgeht. Denn während zahlreiche Publikationen zur traditionellen japanischen Mathematik wasan erschienen sind und seit kurzem vestärkt zum japanisch-chinesischen Austausch im sekundären Bildungssystem geforscht wird, haben Arbeiten zur Entwicklung der höheren Mathematik entweder einen sehr engen Rahmen oder eher Überblickscharakter. Um das Thema bei angemessenem Detailgrad handhabbar zu machen, lasse ich meine Untersuchung mit der Taishō-Zeit im Jahr 1926 enden, da das Universitätssystem in den folgenden Jahren einem großem Wachstum unterworfen war.
Das Projekt wurde finanziell durch ein einjähriges DAAD-Promotionsstipendium sowie durch das DAAD-Programm „Gemeinsam Lesen“ gefördert. Darüber hinaus fand eine unentgeltliche Förderung am Studienzentrum der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina statt.
Dr. Laura Blecken (Diskurse um "Selbst-Verantwortung" in Japan)
Pflichtbewusst" oder "selber schuld"? Diskurse um "Selbst-Verantwortung" in Japan (2019)
Der Link zu den Verlagsinformationen lautet (open access):
https://www.dijtokyo.org/publication/selbstverantwortung-in-der-japanischen-gesellschaft/
Die "Verantwortung" ist Kernelement unserer Ethik und der Begriff heute so allgegenwärtig wie vieldeutig. Auch in Japan spricht man oft von sekinin, jedoch teilweise in Zusammenhängen, die im Deutschen befremdlich erscheinen. Vor allem der Begriff jikosekinin ("Selbst-Verantwortung") hat seit den 80er Jahren als Schlüsselwort des Neoliberalismus eine enorme Konjunktur erlebt. "Selbst-Verantwortung" habe jeder zu tragen: Das Kind, das in der Schule versagt, die alleinerziehende Mutter, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist, und japanische Mitbürger, die in Kriegsgebieten als Geiseln genommen werden. Gleichzeitig wird im "Zeitalter von jikosekinin" nach proaktiven Angestellten mit "Selbst-Verantwortung" verlangt, und die Erziehungsreform soll Kinder zu "selbst-verantwortlichen" Menschen machen.
Seine besondere Schlagkraft entwickelt der Begriff im Japanischen durch seine Bedeutungsvielfalt, die sich aus seiner Geschichte erschließt: So umfasst jikosekinin nicht nur aufklärerische Komponenten wie "individuelle Freiheit" und "Selbst-Verwirklichung", sondern auch ältere Konzepte wie ein moralisch fundiertes "Pflichtbewusstsein" und "eigene Zuständigkeit in der Gesellschaft". Das Dissertationsprojekt untersucht den jikosekinin-Begriff als Ideographen - ein "Wort, das als Lager für wichtige Werte fungiert, die tief verwurzelte Kulturpolitik reflektieren" (HUTCHISON 2013:25; MCGEE 1998). Anhand einer Quellenanalyse wird die Begriffsgeschichte von jikosekinin bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgt und zwischen verschiedenen Bedeutungssträngen unterschieden. Anschließend werden in einem Big Data Korpus japanische Blog-Artikel mit der Fragestellung ausgewertet, in welchen gesellschaftlichen Diskursen der Begriff heute eine prominente Rolle spielt. Die Analyse erfolgt mit Methoden der Digital Humanities, insbesondere einem auf Themenmodellen basierten Analyseinstrument, dem TopicExplorer.
Dr. Franziska Utomo (Entwicklung der Gourmetkultur in Japan)
Gourmetkultur in Japan – Eine Nation von Gourmets und Foodies (2018)
Die Dissertation wurde als Band 63 in der Reihe Monographien, herausgegeben vom Deutschen Institut für Japanstudien (Bd. 63), veröffentlicht.
Der Link zu den Verlagsinformationen lautet:
https://www.iudicium.de/katalog/86205-051.htm
Der Link zu einer Rezension lautet:
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/asia-2020-0029/html
Tokio ist die Hauptstadt der Gourmets. Seit 2007 gibt es in der japanischen Hauptstadt mehr Sternerestaurants als in jeder anderen Stadt. Im Guide Michelin für das Jahr 2012 wurden 247 Restaurants der Stadt mit den begehrten Sternen ausgezeichnet. Nicht nur Restaurants, auch die Gourmetabteilungen der Kaufhäuser, zahlreiche Essens- und Gourmetzeitschriften, Kochshows im Fernsehen oder Blogs im Internet weisen darauf hin, dass die Feinschmeckerei ein zentraler Aspekt der japanischen Gesellschaft ist. Das ist kein neues Phänomen. In Japan entwickelte sich bereits im 14. Jahrhundert ein kulinarisches Umfeld, das als Gourmetkultur bezeichnet werden kann. Während der Edozeit öffnete sich dieses Umfeld für bürgerliche Schichten und mit der Meiji- und Taishōzeit bekam die Masse der Konsumenten Zugang zur Gourmetkultur. In der Nachkriegszeit fand eine stetige Differenzierung der Gourmetkultur statt, die bis heute eine immer größere Bandbreite an Speisen umfasst. Die Entwicklung gipfelt in der so genannten b-kyū gurume-Bewegung, die sich der Feinschmeckerei zweiter Klasse widmet. Die Bandbreite der verzehrten Speisen zeichnet sich durch scheinbar gegensätzliche Merkmale aus. Auf der einen Seite steht die Faszination für Gerichte aus dem Ausland und deren Domestizierung. Auf der anderen Seite steht die Hinwendung zu als traditionell japanisch verstandenen Gerichten.
Während sich die historische, sozial- und kulturwissenschaftliche kulinarische Forschung ausgiebig mit Ländern wie Frankreich, dem ‚Mutterland der Gourmets‘ oder den USA beschäftigt, finden Japan und Tokio bisher keine Beachtung in der deutsch- und englischsprachigen Forschungsliteratur. Diese Forschungslücke zu füllen ist das Ziel der Doktorarbeit. Die Doktorarbeit zeichnet die Entwicklung der japanischen Gourmetkultur seit der Edozeit nach und legt dabei besonderes Augenmerk auf Akteure und Institutionen – wie Restaurants oder Literatur – sowie den kulinarischen Rahmen – also die Speisen an sich. Mithilfe einer allgemeinen Charakterisierung von Gourmetkultur werden Gemeinsamkeiten mit anderen Ländern verdeutlicht, aber auch japanische Besonderheiten herausgestellt. Das Ziel des Projekts ist eine Bereicherung der historischen, kultur- und sozialwissenschaftlichen kulinarischen Forschungslandschaft durch eine Einordnung Japans in den Diskurs um Gourmetkultur.
Dr. Christian Heideck (Deutsch-Japanische Beziehungen)
"'Deutschland liegt fern im Westen...' Die Japanpolitik der DDR im Zeichen von Wirtschaftsinteressen, 'Nichtanerkennung' und Systemkonkurrenz 1952-1973" (2012)
Die Dissertation wurde als Band 57 in der Reihe Monographien, herausgegeben vom Deutschen Institut für Japanstudien (Bd. 57), veröffentlicht.
Der Link zu den Verlagsinformationen lautet:
https://www.iudicium.de/katalog/86205-045.htm
Ausgehend von der Feststellung, dass bisher wenig Forschung zu den deutsch-japanischen Beziehungen nach 1945 betrieben wurde, setzt die Arbeit bei den Beziehungen zwischen der DDR und Japan von 1952 bis 1973 an. Den Mittelpunkt der Arbeit bildet die Untersuchung der Entstehung einer ostdeutschen Japanpolitk unter den Bedingungen der Nichtanerkennung der DDR bzw. des Ost-West-Konfliktes und eruiert ihre Prämissen, ihre Möglichkeiten, ihre Erfolge und Misserfolge.
Die Dissertation entstand mit finanzieller Förderung durch die Haniel Stiftung.